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EuGH-Urteil zur Fluggastrechte Verordnung

Kein Anspruch auf Ausgleichszahlung, wenn der Flugpassagier mit selbst gebuchtem Ersatzflug weniger als drei Stunden später ankommt.

Sachverhalt

Der Kläger (Passagier) hatte bei Ryanair einen Flug von Düsseldorf nach Palma de Mallorca gebucht. Der Abflug am 31.Oktober 2019 verspätete sich um sechs Stunden. Dies hat der Reisende am Flughafen erfahren. Da er einen dringenden Termin in Palma wahrnehmen musste, hat er sich selbst einen neuen Ersatzflug gebucht.

Der betroffene Passagier behauptet, dass er rechtzeitig bei der Abfertigung am Flughafen erschienen ist.

Ryanair hat ihm keine Ersatzbeförderung angeboten.

Der Fluggast ist auf seinem selbst gebuchten Ersatzflug mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden im Vergleich zu dem gebuchten Ryanair Flug gelandet.

Was hat der Fluggast von Ryanair gefordert?

Der Kläger wollte eine Ausgleichszahlung in der Höhe von 250 € geltend machen, die in der Fluggastrechteverordnung bei einer Flugstrecke von bis zu 1.500 km bei Verspätungen von drei Stunden und mehr vorgesehen ist. Weiters seine Rechtsanwaltskosten und eine Auskunft über nicht verbrauchte Steuern und Gebühren von Ryanair.

Das Amtsgericht hat die Klage gegen Ryanair abgewiesen. Schließlich hat der Passagier den erheblich verspäteten Flug nicht angetreten und war mit dem selbst gebuchten Ersatzflug weniger als drei Stunden verspätet in Palma de Mallorca angekommen.

Dadurch ist der Passagier nicht schlechter gestellt, als wenn er den verspäteten Flug von Ryanair angetreten wäre. Die Kosten seines Ersatzfluges kann er nach deutschem Recht schadensersatzrechtlich geltend machen.

Der Reisende hat Berufung eingelegt

Das Berufungsgericht hat die Berufung abgewiesen, aber die Revision zugelassen.

Der X. Zivilsenat des BGH, der über die Revision entscheidet, hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2023 das Verfahren ausgesetzt, um im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens den EuGH zur Auslegung der Fluggastrechteverordnung anzurufen.

EuGH-Urteil

Der EuGH hat am 25.01.2024 in der Rechtssache C-54/23 folgendermaßen entschieden:

Dem betroffenen Passagier steht keine Ausgleichszahlung in der Höhe von 250 € nach EU-VO zu, da er den Zielflughafen mit weniger als drei Stunden Verspätung im Vergleich zu dem ursprünglich gebuchten Ryanair Flug erreicht hat. Er habe daher keine „große Unannehmlichkeit“ gehabt

Ryanair hätte dem Passagier eine Ersatzbeförderung anbieten müssen. Aus diesem Verstoß lässt sich aber kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung für den Passagier ableiten.

In der Begründung des Urteils zu den vorgelegten Fragen geht es vor allem darum, ob man auf den Sachverhalt die Bestimmungen der Annullierung anwenden kann. Denn wenn bei einer Annullierung dem Fluggast keine Ersatzbeförderung mit einem Zeitverlust von weniger als drei Stunden angeboten wird, besteht hier bereits ein Anspruch auf Ausgleichszahlung. (Art. 5 Abs 1 EU-VO 261/2004).

Dies hat der EuGH verneint, im Sinn der Gleichbehandlung.

EuGH: „Die Verordnung sieht eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 nicht für jede Art von Unannehmlichkeit vor, sondern nur für eine Konstellation, die durch einen Zeitverlust von mindestens drei Stunden charakterisiert ist. Diese Regelung kann nicht mit Hilfe des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Konstellationen übertragen werden, in denen ein solcher Zeitverlust nicht eingetreten ist.“

Die Frage, ob der Passagier zum Abflugschalter kommen muss, obwohl er ja bereits weiß, dass der Flug eine Ankunftsverspätung von mehr als sechs Stunden haben wird, wird hypothetisch beantwortet, da die Vorinstanzen keine Feststellung dazu getroffen haben, ob sich der Kläger wie behauptet, rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden hat.

EuGH: „Wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang dargelegt hat (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2022 – X ZR 122/21, Rn. 16), könnte ein dem vergleichbarer Sachverhalt vorliegen, wenn vor dem Zeitpunkt, zu dem sich der Fluggast spätestens zur Abfertigung einfinden muss, bereits hinreichend gesicherte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Flug nur noch mit einer Verspätung am Endziel von mehr als drei Stunden durchgeführt werden kann. In dieser Situation könnte das Ansinnen, sich dennoch rechtzeitig zur Abfertigung einzufinden, ebenso wie bei einer Annullierung sinnlos sein.“

Fragen an den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren

1. Ist ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung des Fluges von mindestens drei Stunden nach Art. 5, 6 und 7 der Verordnung generell ausgeschlossen, wenn der Fluggast bei drohender großer Verspätung einen von ihm selbst gebuchten Ersatzflug nutzt und dadurch das Endziel mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden erreicht, oder kommt ein Ausgleichsanspruch in dieser Konstellation jedenfalls dann in Betracht, wenn schon vor dem Zeitpunkt, in dem sich der Fluggast spätestens zur Abfertigung einfinden muss, hinreichend gesicherte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es am Endziel zu einer Verspätung von mindestens drei Stunden kommen wird?

2. Für den Fall, dass Frage 1 im zuletzt genannten Sinne zu beantworten ist: Setzt der Ausgleichsanspruch wegen Verspätung des Fluges von mindestens drei Stunden nach Art. 5, 6 und 7 der Verordnung in der genannten Konstellation voraus, dass sich der Fluggast nach Art. 3 Abs. 2 Buchst, a der Verordnung rechtzeitig zur Abfertigung einfindet?

Wenn nationale Gerichte in Ihren Verfahren Normen der Europäischen Union auslegen müssen, wird das Verfahren unterbrochen und ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH eingebracht. Der EuGH entscheidet dann die vorgelegten Fragen und die nationalen Gerichte können das Verfahren dann fortführen und ein Urteil fällen.