18 Stunden lang legte der 35-jährige Geiselnehmer den Flughafen Hamburg lahm. Die 920 eingesetzten Polizisten konnten den Mann, der seine Tochter entführt hatte, schließlich zur Aufgabe überreden. Es gab keine Verletzten und der angedrohte Sprengstoffanschlag blieb zur großen Erleichterung Aller aus. Der Sprengstoffgürtel war nur eine Attrappe. Dennoch ist insgesamt ein enormer finanzieller Schaden entstanden: großer Polizeieinsatz, die ausgefallenen Flüge, die Verluste der Geschäfte am Flughafen und Vieles mehr. Auch wenn alles letztendlich glimpflich ausgegangen ist, stellt sich die Frage welche Rechte die rund 38.000 betroffenen Passagiere der rund 220 gestrichenen Flugverbindungen haben. FairPlane hat hier einen kurzen Überblick über mögliche Ansprüche nach der Fluggastrechteverordnung bei der Geiselnahme am Flughafen Hamburg zusammengestellt.
Keine Ausgleichszahlung für Passagiere
Die EU Fluggastrechte Verordnung sieht in der Regel bei Flugverspätungen über drei Stunden, Flugausfällen und verpassten Anschlussflügen einen Anspruch auf Entschädigung für Fluggäste vor. Die Höhe dieses Anspruches richtet sich nach der Flugstrecke und beträgt 250, 400 oder 600 Euro. Allerdings muss die Fluggesellschaft diese Entschädigungen nicht zahlen, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Ereignisse wie die Geiselnahme am Flughafen Hamburg sind ein außergewöhnlicher Umstand. Die Airline kann diese Ereignisse nicht beeinflussen. Der Fluggast bekommt keine Entschädigungszahlung.
Allerdings muss die Fluglinie darlegen, dass sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung der Verzögerung, oder des Flugausfalls ergriffen hat. Insbesondere muss in solchen Fällen geprüft werden, ob den Passagieren die beste und schnellste Ersatzbeförderung angeboten wurde.
Selbst wenn Reisende keinen Anspruch auf eine Entschädigung haben, die Fluggastrechteverordnung sieht noch andere Leistungen für Passagiere vor.
Das sind Ihre Rechte bei Flugausfall wegen der Geiselnahme am Flughafen
Ersatzbeförderung
Wird der Flug von der Airline abgesagt, hat der Passagier Anspruch auf eine zeitnahe Ersatzbeförderung. Die Fluglinie wird Ihnen anbieten zu einem späteren Zeitpunkt befördert zu werden. Die Ersatzbeförderung muss nicht mit derselben Fluglinie erfolgen. Wenn Sie selbst einen für Sie geeigneten Flug finden, weisen Sie die Fluglinie darauf hin und lassen Sie sich die Kostenübernahme bestätigen. Wenn sich das Flugunternehmen nachweislich um „Unterstützungsleistungen“ bemüht und Ihnen einen Ersatzflug anbietet, sollten Sie keinesfalls auf eigene Faust einen neuen Flug buchen. Die Airline kann die Erstattung der angefallenen Mehrkosten verweigern.
Rückerstattung der Ticketkosten
Wenn Sie allerdings in der gebuchten Reise wegen des verspäteten Abflugs keinen Sinn mehr sehen, können Sie den gesamten bezahlten Ticketpreis von der Fluglinie zurückfordern. Dies gilt ab einer Verspätung des ursprünglich gebuchten Fluges von mehr als fünf Stunden. Die Fluglinie muss die Ticketkosten innerhalb von sieben Tagen an Sie zurückerstatten. Leider hält sich so gut wie keine Fluglinie an diese Frist in der EU-VO 261/2004. Daher hat FairPlane während der Corona-Krise den Service Ticketkosten Erstattung gelauncht. Gerne helfen wir Ihnen die Ticketkosten von der Fluglinie erstattet zu bekommen. Zahlt die Fluglinie innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist (ab dem versendeten Mahnschreiben unserer Vertragsanwälte), entfällt die Erfolgsprovision.
Ersatzbeförderung ODER Ticketkostenerstattung
Sie können selbst entscheiden ob Sie eine Ersatzbeförderung oder eine Ticketkostenerstattung wünschen. Beides können Sie nicht verlangen, sonst wären Sie „bessergestellt“ als vor dem Schadensereignis.
Fluglinie erstattet die Ticketkosten ohne Nachfrage oder Wahlmöglichkeit zurück
Es kommt sehr häufig vor, dass das Luftfahrtunternehmen dem Passagier gar keine keine Wahl zwischen Erstattung der Kosten des Flugtickets oder einer alternativen Beförderung lässt. Die Fluglinie erstattet die ursprünglichen Ticketkosten auf das verwendete Zahlungsmittel bei der Buchung zurück.
FairPlane Tipp: Lassen Sie sich durch diese Vorgehensweise nicht irritieren! Viele Passagiere glauben, dass das Alles ist, was Sie von der Fluglinie erhalten müssen. Aber die Fluglinie ist auch im Fall der Geiselnahme am Flughafen Hamburg verpflichtet Ihnen eine Ersatzbeförderung anzubieten. Das reine Rückerstatten der Ticketkosten ohne Ihre Zustimmung reicht nicht. Sollten Sie sich selbst einen Ersatzflug gebucht und bezahlt haben, haben Sie dennoch den Anspruch, die Mehrkosten des neuen Flugtickets unter vergleichbaren Bedingungen erstattet zu bekommen. Die Fluglinie muss Ihnen die verbleibende Differenz des neuen Flugtickets zum bereits erstatteten Ticketpreis auszahlen.
Betreuungsleistung
Bis zu dem Zeitpunkt einer Ersatzbeförderung muss die Fluglinie aber für alle Passagiere, die von dem Flugabbruch betroffen sind, Betreuungsleistungen erbringen.
Betreuungsleistungen müssen auch beim Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen von der Fluglinie angeboten werden.
Die Fluglinie ist verpflichtet den Passagieren während der Wartezeit bis zum Abflug sogenannte Betreuungsleistungen anzubieten. Dazu gehören Getränke, Snacks, wenn notwendig aber auch Hotelübernachtungen, sowie die Möglichkeit für Telefonate oder E-Mails. Gemäß Art. 9 der Fluggastrechte-VO haben Fluggäste annullierter Flüge – ungeachtet des Grundes der Annullierung oder Verspätung – grundsätzlich Anspruch auf:
- Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit
- Hotelunterbringung, falls erforderlich (Flug erst am Folgetag oder noch später)
- Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung (Hotel oder Sonstiges)
- Zwei unentgeltliche Telefongespräche /Telexe/Telefaxe oder E-Mails.
Ab wann muss die Airline die Betreuungsleistung erbringen?
bei Flügen bis zu 1.500 km ab einer Verspätung von zwei Stunden oder mehr
bei Flügen innerhalb der EU ab 1.500 km ab einer Verspätung von drei Stunden oder mehr
bei Flügen von 1.500 km bis zu 3.500 km (nicht innerhalb der EU) ab einer Verspätung von drei Stunden oder mehr
bei Flügen über 3.500 km (nicht innerhalb der EU) ab einer Verspätung von vier Stunden oder mehr
Wie hoch ist die Betreuungsleistung?
Die Betreuungsleistung wird nicht pauschaliert, also es gibt keinen fixen Betrag pro Stunde oder Ähnliches. Es werden die tatsächlichen Kosten ersetzt. Diese Kosten muss man belegen. Daher muss man alle Rechnungen gut aufheben, um die Kosten dann von der Fluglinie zu fordern. Bei der Wahl des Hotels und der Verpflegung bitte nicht übertreiben oder prassen. Denn die Fluglinie könnte die Vollzahlung dieser Rechnung ablehnen.
FairPlane Tipp: keine alkoholischen Getränke bestellen!
In der EU-Fluggastrechteverordnung steht wörtlich, dass im Rahmen der Betreuungsleistung Erfrischungsgetränke konsumiert werden dürfen. Das Amtsgericht Hannover entschied im April 2023 (513 C 8538/22) zugunsten der Fluglinie, dass die Kosten für die konsumierten Aperol Spritz am Flughafen von der Fluggesellschaft nicht übernommen werden müssen. In der Begründung des Gerichts wurde ausgeführt: Der Wortlaut „Erfrischung“ verbietet es, alkoholische Getränke, deren Wirkung im Regelfall gegenteilig sein dürfte, hierunter zu subsumieren.“
Betreuungsleistung ist von der Fluglinie zeitlich unbegrenzt zu erbringen
Diese Leistungen gelten unbegrenzt! Wenn Sie also beispielsweise nach einem Brand eines Terminals am Flughafen festsitzen, weil der Luftraum gesperrt ist, und ihr Flug gecancelt wurde, muss die Fluglinie Sie verköstigen und in einem Hotel unterbringen, bis der Luftraum wieder geöffnet wird und ein Flug stattfinden kann. Die Kosten hierfür trägt die Fluggesellschaft, und zwar zeitlich unbegrenzt!
Reisepreisminderung bei Pauschalreise wegen kürzerer Urlaubsdauer
Wenn der betroffene Passagier eine Pauschalreise gebucht hat, kann hier zusätzlich zu den oben ausgeführten Ansprüchen auch noch direkt vom Reiseveranstalter eine Reisepreisminderung geltend gemacht werden. Je nachdem wie viele Tage der Pauschalreise durch das unerfreuliche Ereignis am Flughafen Hamburg verloren wurden.